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Zeitreise in die DDR: Was man im Osten über Wertschätzung lernte

DDR Nachhaltigkeit

Vieles, was heute in ganz Deutschland alltäglich ist, gab und gibt es in vielen Ländern dieser Welt einfach nicht. Egal was im Haushalt fehlt, ein Supermarkt ist nur ein paar Schritte entfernt. Meist ist die Auswahl grenzenlos und der Preis ist im Verhältnis zum Einkommen verschwindend gering. Und wenn es im Supermarkt nicht erhältlich ist, dann bestellt man es online und weiß, dass es mit hoher Sicherheit ein paar Tage später ankommt. Diese vermeintliche Normalität und die „es gibt immer alles“-Realität existiert für viele Menschen in anderen Ländern nicht. Zum Teil weil die Auswahl in den Supermärkten nicht beseht, wie z.B. in Kuba, wo es an vielen Dingen mangelt, oder die Menschen können es nicht leisten. Oder: Sie brauchen es einfach nicht.
Manchmal muss man für neue Erkenntnisse gar nicht in andere Ländern reisen sondern eine Zeitreise in die eigene Ost-Vergangenheit genügt.

Ressourcenschonung und Schule in der DDR

Jedes Jahr, vielleicht sogar mehrmals im Schuljahr, fanden Sammelaktionen statt, die die Klassenkasse aufbessern sollten. So sammelten wir als Schüler Zeitungen und Glasflaschen, gingen dafür mit unseren Klassenkameraden von Haus zu Haus, manchmal sogar mit Bollerwagen und brachten die gesammelten Zeitungsstapel zurück zur Schule, wo alles abgewogen wurde, für jedes Kilo ein paar Pfennige in die Klassenkasse flossen und Glas und Papier wieder verwendet wurden.

Mit dem Stoffbeutel zum Bäcker

Am Wochenende standen immer die Besuche bei den Großeltern an. Weil die Eltern am Samstagmorgen noch schliefen aber die Großeltern schon aktiv waren, war die schönste Routine Brot und Brötchen beim Bäcker zu kaufen. Ausgestattet mit dem kleinen Einkaufskorb und einem Stoffbeutel ging es die kopfsteingepflasterte Straße hinunter, einmal links abbiegen und schon stand ich in der kleinen Schlange. Die zehn doppelten Brötchen kamen in den Korb – das frische Brot, ein dunkleres sollte es immer sein, wurde in den Stoffbeutel gepackt.
Plastiktüten gab es nicht. Nicht beim Bäcker, nicht beim Fleischer, nicht beim Gemüseladen und auch nicht im Konsum oder in der Kaufhalle. Plastiktüten waren ein Luxus, fast ein Statussymbol, dass eigentlich keiner zum Einkaufen brauchte.

Alles war Mehrweg

Obst- oder Marmeladegläser kamen nicht in den Abfall sondern wurden abgewaschen, getrocknet und im Spätsommer und Herbst für selbstgemachte Marmeladen und eingekochtes Obst wieder verwendet.
Weinflaschen oder Saftflaschen wurden gesammelt, um darin den Most aus den Äpfeln in Omas Garten abzufüllen.

Milch in Plastiktüten

Milch in Kartons gab es nicht. In der Schule wurden wir mit Milchflaschen versorgt, die natürlich Mehrweg waren. Manchmal musste man aufpassen, weil am Flaschenhals schon etwas abgesplittert sein konnte.
Im Konsum oder in der Kaufhalle allerdings gab es Milch in Plastiktüten – wahrscheinlich die einzigen kleinen Plastiktüten in der DDR. Und natürlich wurden die nicht einfach weg geschmissen, sondern abgewaschen, gesammelt und wieder verwendet, z.B. um etwas einzufrieren.

Eis im Thermobehälter

Wenn ein Kindergeburtstag oder eine Familienfeier anstand, dann bin ich oft als Kind mit einem Thermobehälter zur Eisdiele gegangen. Zwölf, dreizehn, vierzehn Kugeln – so viel eben reinpasste habe ich dort gekauft und natürlich eine Kugel in der Waffel für den langen Heimweg, oder auch zwei. Zehn Kugeln für zwei Mark. Am besten fand ich aber das Softeis, dass sich  wunderbar in den großen Behälter abfüllen ließ. So oder so wanderte am Ende des Tages keine Plastikpackung in den Müll – es gab ja keine zu kaufen.
Wenn es nach mir ginge, würde es die Papp-Becher im Eisladen auch heute nicht geben.

Imbiss mit Mehrweg-Geschirr

Es gab ein paar Routinen im Ostsee-Urlaub, die unumstößlich waren. Dazu gehörte der Besuch im Rostocker Zoo und auf dem Weg dahin eine Mittagspause an den Imbiss-Stationen. Erbsensuppe, Nudeln und Tomatensoße, Bockwürstchen – eigentlich nichts besonders. Das besondere aber war, dass all diese Mahlzeiten in Tellern und Schalen ausgegeben wurden, auf die man Pfand zahlte und nach dem Essen zurückgab.
Heute sieht man viele Leute in der Mittagspause an Imbissständen, die das Essen in Plastik packen, oder in Supermärkten, die Salate, Snacks, Suppen in Plastik an die hungrigen Pausengänger verkaufen.

Geschenkpapier, Alufolie und Lametta

Ja, es gab Geschenkpapier. Und wahrscheinlich sah es zu Weihnachten unter allen DDR-Weihnachtsbäumen ähnlich aus – denn die Auswahl an Geschenkpapier war – nun es gab keine große Auswahl.
Ich erinnere mich, wie wir als Kinder die Geschenke für Großeltern und Eltern verpackt haben und dafür den Geschenkpapierschrank öffneten. Dort lag eine Rolle mit neuem Geschenkpapier und ein Stapel mit Papier von vorhergehenden Geburtstags- und Weihnachtsfesten. Zuerst wurde im Stapel geprüft, ob ein passendes Stück Geschenkpapier vorhanden war, das man nutzen konnte. Nur wenn es keines gab, ging der Griff zur Rolle.
Bei Alufolie war es ähnlich. Auch die wurde nach der ersten Nutzung gereinigt, zurück in Schrank gelegt und wieder verwendet, wenn sie nicht beschädigt war. Genauso wie Lametta, dass nach Weihnachten wieder vom Baum genommen und für das nächste Jahr verstaut wurde. Wer macht das heute noch?

Ich merke heute noch, wie diese Wertschätzung und Mehrfachverwendung mein Verhalten beeinflusst und wie mich die Wegwerfmentalität überrascht und ich denke „das ist doch noch gut“. Gerade auf Reisen, in Ländern, in denen Mangel herrscht, trifft man auf dasselbe Nutzungsverhalten. Einfach wegschmeißen ohne zumindest darüber nachgedacht zu haben, ob es wieder genutzt werden kann, geht nicht. Auch für mich nicht  – unabhängig davon, was es kostet und ob es überall zu kaufen ist.

About the author

Anica

Hallo und willkommen auf just-not-enough-time. Ich bin Anica und teile hier meine Reiseerfahrungen und –empfehlungen.
Seit über 15 Jahren backpacke ich durch die Welt und es ist kein Ende in Sicht.
Wenn ich nicht reisen kann, dann probiere ich neue Dinge aus und schreibe darüber.

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