Meine ersten Erlebnisse mit der staatlichen kubanischen Touristenbus-Firma Viazul habe ich bereits beschrieben. Nach zwei Monaten in Kuba gibt es mehr zu erzählen. Um es mit den Worten von Freundeskreis zu sagen: „Komik ist Tragik in Spiegelschrift.“ In meinen Worten: „Fun fängt jetzt mit V an.“ Hier sind 3 Kurzgeschichten:
1. Die Warteliste in Trinidad
Ich habe aus den Fehlern der ersten Viazul-Besuche gelernt und plane meine Reiseschritte zwei sogar drei Tage im Voraus.
Es ist Sonntagnachmittag 16 Uhr als ich mich in die Räumlichkeiten von Viazul in Trinidad begebe und meine Mission vor verschlossenen Türen endet, durch die ich die Mitarbeiter sehe, die signalisieren: „Jetzt nicht.
Komm morgen früh wieder.“
Morgen früh also, nun gut. Die Schwellenwerte der Frustrationstoleranz haben sich in den letzten Wochen bereits verschoben. So ist mein Kuba, so ist Viazul, ich komme morgen früh zurück, gegen 9 oder 10 – das sollte passen. Passt aber nicht.
Die Casa-Besitzerin, bei der ich übernachte, redet eindringlich auf mich ein: Um 7 musst du dort sein! So früh wie möglich!
So quäle ich mich am folgenden Morgen vor 7 aus den Federn und erreiche frühzeitig die heiligen Bushallen, in denen um diese Zeit keine Tickets verkauft werden, sondern die Busse nach Varadero, Santiago und Santa Clara abgefertigt werden. Mehr warten.
Kurz vor 9 bin ich dran und erfahre: Die Busse für die kommenden drei Tage sind ausgebucht. Ich sehe schwarz, ich will aus dem touristischen Trinidad weg, lieber gestern als heute!
Aber es scheint eine Lösung zu geben:
„Es gibt eine Warteliste, auf die können wir Deinen Namen setzen.“
„Die wievielte bin ich auf der Liste?“
„Die sechste.“
„Wie hoch sind meine Chancen, dass ich mitfahren werde?“
„Heute haben wir alle Wartelistenplätze mitnehmen können.“
Also auf die Warteliste. Tatsächlich bin ich am Folgetag wieder 7 Uhr morgens bei Viazul und sitze um 8 Uhr im Bus nach Santiago.
2. Herzlichen Glückwunsch in Santiago
Santiago de Cuba. Freitag soll es nach Baracoa gehen, also muss ich Mittwoch mein Ticket kaufen. Ich habe meine Lektion nun wirklich gelernt. Der Taxifahrer fährt mich zum Viazul-Terminal, begleitet mich in das Ticketbüro und schüttelt den Kopf: „Ich kann nicht auf dich warten.“
„Wieso nicht, es sind nur zehn Personen, dauert vielleicht eine halbe Stunde.“
„Nein, nein. Habe kurz mit den anderen Taxifahrern gesprochen – es dauert heute lange.“
Ich lasse ihn gehen, glaube ihm kein Wort. Wird schon schnell gehen. Zehn Personen – eine halbe Stunde, dann bin ich hier fertig.
Nach 45min sind weiterhin neun Personen vor mir. Das kubanische Anstellsystem hat mich hinters Licht geführt. Nicht alle Wartenden stehen in der Schlange sondern manche sitzen auf den Bänken, so als warteten sie auf einen Bus. Ab und zu steht einer auf, geht an die zweite Position der Warteschlange. Mist!
Wer von den Sitzenden ist denn noch vor mir dran? Und warum, warum ist hier nur ein einziger Mitarbeiter?
Etwas später kommt Unruhe auf. In einer Stunde schließt das Office und nur noch der Check-In ist möglich. Dann sehe ich es grau auf weiß vor mir, auf einem unscheinbaren Zettel gedruckt, weit entfernt vom Eingang, wo man die Information auf den ersten Blick einsehen könnte, wie der Check-In-Hase hier läuft:
7 bis 8 Uhr Check-In
13 bis 13.50 Check-In
15 bis 16 Uhr Check-In
18:30 bis 19.30 Check-In
19:30 bis 20.00 Check-In
Es ist 17:45 Uhr. Tic Toc.
Das Pärchen vor mir verkürzt sich das Warten, in dem sie die Zeiten stoppen, die der Mitarbeiter für die Bearbeitung der einzelnen Anliegen benötigt. Manche Kunden sind in fünf Minuten abgefertigt, andere benötigen fünfzehn Minuten.
18 Uhr und immernoch fünf Personen vor mir – vielleicht auch mehr, wer weiß.
18.25 Uhr. Ich bin dran. Wie auch immer das geschehen ist, weiß ich nicht. Ich will gerade meinen Ticketwunsch äußern als der Mitarbeiter aufsteht, die Bürotür hinter sich schließt und sagt: „Ich bin in fünf Minuten zurück.“
Sprachlos sehe ich Magda an, die ich gerade kennengelernt habe. Sie fährt wie ich nach Baracoa, am gleichen Tag. Etwas Positives hat das Warten ja doch. Man findet neue Reisebekanntschaften.
Nach fünf Minuten ist der Mitarbeiter wirklich zurück und es läuft ungefähr so:
„Nein, für zwei Tage später gibt es keine Tickets um 8 oder 14 Uhr, auch für drei Tage später nicht. Du kannst aber nachts um 1:50 Uhr den Bus nehmen.“
Was bleibt mir anderes übrig, ich möchte weiter reisen. Nach 1,5 Stunden verlasse ich Viazul – halb stolz, halb erschöpft – mit einem Ticket.
Am Folgetag treffe ich den Taxifahrer zufällig wieder und er fragt, wie lange ich warten musste. „Anderthalb Stunden.“
„Oh, dann gratuliere ich Dir. Du hast Glück gehabt.“
„Ist das Ironie?“, frage ich ihn nahe der Fassungslosigkeit.
„Nein, nein. Mein voller Ernst. Manchmal warten die Leute drei Stunden….“
Baracoa – Täglich grüßt das Viazurmeltier
1. Besuch
Ich komme 13 Uhr zu Viazul, nach einer halben Stunde bin ich dran. Natürlich habe ich mich bei einem Mitarbeiter rückversichert, dass ich wirklich ein Ticket kaufen kann und nicht in die Check-In-Zeiten gerate.
„Ich möchte in fünf Tagen nach Camagüey.“
„Jetzt ist nur Check-In. Tickets kannst Du von 8.30 Uhr bis 11 Uhr kaufen.“
Schweigen.
„Mir wurde eben versichert, dass ich jetzt ein Ticket kaufen kann.“
„Nein, jetzt ist nur Check-In.“
Erst jetzt entdecke ich ein unscheinbares Zettelchen direkt am Ticketschalter, auf dem die Check-In-Zeiten zu lesen sind.
„Warum kann die Info nicht direkt am Eingang aushängen? Hier sieht das doch keiner!“
„Du hast recht“, sagt sie und nimmt mir den Wutwind aus den Segeln.
Ändern wird sie es nicht und ein Ticket werde ich jetzt auch nicht kaufen können. Ich komme wieder, was bleibt mir übrig.
2. Besuch
Rechtzeitig und natürlich zu den Bearbeitungszeiten bin ich vor Ort. Keine Schlange – das ist mein Glückstag. Aber zu früh gefreut. Das System ist down. Nichts geht. Keiner weiß, wann die Verbindung wieder steht. Keiner kriegt heut ein Ticket.
3. Besuch
Ich bin bereit, 9 Uhr, Ticketkauf. Nach einer halben Stunde bin ich raus. Ich habe die Tickets. Yippie!
4. Besuch
Ich habe meine Reisepläne geändert, möchte das Ticket canceln und dazu bleibt mir nichts anderes übrig als wieder zu Vaizul zu gehen. Mittlerweile habe ich gelernt, dass es um 10.15 Uhr leer ist. Heute aber nicht. „Ultimo?“, wer ist Letzter?
Hinsetzen und warten. Aber warum ist der Schalter geschlossen? Sicherlich Toilettenbreak. Nach zehn Minuten ist der Schalter weiterhin nicht geöffnet. Ich frage meine Nachbarn.
„Jemand hat gesagt, der Mitarbeiter ist auf WC. Aber wir warten seit 9 Uhr und haben noch niemanden gesehen.“ Es ist jetzt 10.30 Uhr.
Jemand anders sagt: „Nein, nein. Der Mitarbeiter ist zur Bank gegangen.“ (Im schnell und vernuschelten kubanisch klingen banco und baño sehr ähnlich.)
„Wenn er auf der Bank ist, dann kann das noch lang dauern…“, sagt jemand. Immerhin sagt bei Viazul keiner „Silencio“, wenn sich die Wartenden unterhalten, so wie der Banksicherheitsmann.
Jemand fragt eine Reinigungsfrau, ob sie wisse, wo der Mitarbeiter ist. Und jetzt hören wir es alle laut und deutlich: „Baño.“
Der gute Mann ist seit 1,5 Stunden auf Toilette, angeblich. Um 10.45 Uhr gehe ich. Dann eben morgen wieder.
5. Besuch
Ich mache es kurz. Das System ist down. Nichts geht. Nur ich.
6. Besuch
Ich kann buchen.
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Man kann übrigens auch online buchen – mit einer Woche Vorlauf. Aber das wäre natürlich nur halb so unterhaltsam.
Die Geschichten beeindrucken übrigens keinen Kubaner – das Transportsystem für die Einheimischen muss noch schwieriger und ineffizienter organisiert sein.
Und auch so geht Öffentlicher Transport:
Oh man, das hört sich gar nicht schön an. Hast du denn irgendwelche Tipps, wie man das besser machen könnte? Gibts da Alternativen? Online buchen wäre ja gut, aber das Internet ist ja dort auch so eine Sache…
Hey Jenny, lass Dich nicht abschrecken. Es ist so, dass man in Kuba anders planen muss, gerade wenn man wenig Zeit hat. Wenn Du online Deine Busverbindungen buchst, dann geht das nur mit zwei Wochen Vorlauf. In der Regel stehen an den Busbahnhöfen auch immer Taxifahrer, die ähnliche Strecken wie der Bus selber fahren – da zahlt man zwar ein paar CUC mehr aber die bringen einen auch gut ans Ziel. Ich würde nur ausreichend Puffer einplanen, wenn Du einen Flug kriegen musst – aber im Großen und Ganzen funktioniert das Busnetz ziemlich gut, auch wenn man manchmal länger oder öfter anstehen muss ; )
Liebe Grüße,
Anica