Kuba Viñales

Viñales: Das kubanische Vietnam

Echte Cowboys

Die gute Nachricht zuerst: Es gibt noch echte Cowboys!!! Mit Pferd, Hut, Cowboystiefeln und manchmal mit Schnauzbart, fast ganz so wie im Film. Sie existieren wirklich und sehen ausgesprochen gut aus! Im Westen Kubas – auf der Landkarte links – liegt das bezaubernde Viñales, in dem die Cowboys zum Stadtbild gehören, sowie auch kleine Pferdekutschen, die durch das meist verschlafene Städtchen fahren. Nur zu Stoßzeiten, wenn die Ausflüge starten, wird es unruhiger durch die Touristen, die Ausflugsbusse und Taxis. Aber eins nach dem anderen. Um nach Viñales zukommen, musste ich erst einmal anstehen in Havanna, und dieses Mal gleich zweifach.

Cowboy Vinales
Cowboys

Zwei Stunden für kein Busticket

Die Reisebibel „Lonely Planet“ sagt, und auch meine Gastfamilie, man solle am besten einen Tag vor Abfahrt sein Ticket buchen. Weil das kurzfristig nicht online geht, wird daraus eine ernstzunehmende zweistündige Mission, die mich zum Busterminal am Stadtrand führt. Mit den Instruktionen meiner Gastgeber steige ich in den Stadtbus, und fahre erst einmal zu weit, weil in meiner Vorstellung ein Busbahnhof einer Hauptstadt deutlich größer ist und ich das unauffällige blaue Gebäude erst entdecke, als der Bus daran vorbeifährt.

Die Größe oder besser die fehlende Größe lässt sich erklären. Wie vieles in Kuba gibt es Parallelprozesse für Einheimische und Touristen. So ist Viazul tendenziell für die ausländischen Reisenden gedacht. Für die Einheimischen gibt es ein separates Transportsystem, dass deutlich günstiger ist und das Ausländer nicht befördert.

In der Hochsaison mehr Vorlauf einplanen

Als ich vor dem Schalter mit überschaubarer Schlange stehe, wird mir mitgeteilt, dass es keine Tickets für den Folgetag gibt, ich könne erst einen Tag später fahren, am 31.12. Da möchte ich nicht reisen. Was nun? Silvester doch in Havanna? Grübdelnd verlasse ich das Gebäude und laufe den Sammeltaxifahrern vor dem Gebäude in die Arme, die auf Reisende ohne Ticket warten und ich lerne, dass ich am nächsten Tag gegen 8 Uhr wiederkommen soll, weil es immer Leute gibt, die kein Busticket haben. Die werden in ein Taxi verfrachtet und für 3 Euro mehr als mit dem Bus an den Zielort gefahren. Gesagt und fast genauso getan.

Exkurs: Die „Langstrecken-Sammeltaxi-Industrie“ ist ein Nebenprodukt des mangelnden Angebots an öffentlichen Transportmitteln für Touristen, die eine Nische für clevere Kubaner mit Auto und für geschickte Vermittler bietet. Hier ist Kubas Kapitalismus deutlich zu spüren, z.B. wenn ein Bus kaputt ist, kein Ersatz bereit steht, schlagen die Taxifahrer zu, mit höheren Preisen, als sie normalerweise abrufen würden. Da kann nicht viel gehandelt werden und Preisabsprachen vom Vortag sind vergessen.

Boney M. im Stadtbus

Ich fahre am nächsten Morgen mit dem Stadtbus zurück zum Terminal, in dem in einer kubanischen Lautstärke zum Wachwerden Boney Ms „Brown girl in the rain“ läuft, dass allen im Bus ein verwundertes Lachen abringt und zum Sitztanzen verführt. Der Busfahrer zündet sich eine Zigarette an und erledigt unterwegs noch einen Botengang.

Im Viazul-Terminal angekommen, gebe ich dem Bus noch eine Chance. Selbst beim Fernbusfahren sind die Abläufe verschieden vom Rest der Welt. Zuerst müssen die Busticketbesitzer einchecken, ganz so wie am Flughafen. Dann muss das Gepäck aufgegeben werden und erst dann kann man in den Bus einsteigen – jede Etappe mit Anstehen, versteht sich.
Für Personen ohne Ticket gibt es anschließend die Option Resttickets am Last-Minute-Schalter zu kaufen, natürlich mit Anstehen. Aber dieses Mal gibt es keine, dafür gibt es um mich herum viel Ablenkung.

Es gibt immer einen Weg

Während ich warte, wird zuerst ein Bus nach Varadero abgefertigt, als eine Asiatin gestresst ihren Koffer durch den Raum zerrt, zu uns kommt und erfragt, ob sie ihr Ticket ändern kann. Ihr Bus sollte um 6 Uhr abfahren, jetzt ist 8 Uhr und von dem Bus ist nichts zu sehen. Dafür wird der 8 Uhr Bus mit demselben Ziel abgefertigt, zu dem sie kein Ticket erhält. Sie wird immer aufgewühlter und gestresster, bis sie auf mehrmaliges Nachfragen ihre Not geradezu panisch erklärt. Sie muss zum Flughafen und ihre Abflugzeit rückt erschreckend nah. Angeblich gibt es keine Restplätze im 8 Uhr Bus, man lässt sie weiterwarten. Das ruft eine Spanierin auf den Plan, die für ein paar Jahre in Deutschland lebte, und die ebenfalls seit Stunden auf die Abfahrt jenes Busses wartet. Sie reist seit zwei Wochen durch Kuba und ist sichtlich zermürbt von den Abläufen. So setzt sie zu einer Tirade auf Kuba und einer Ode auf Deutschland an, die ich mir lachend anhöre: „I fucking love Germany. If the train says it leaves at 8, it leaves at 8. If it is 8:01, you are late. I love how organized and efficient they are! Man, I miss Germany.“ Sie hat das letzte Wort noch nicht zu Ende ausgesprochen als sie mit der Chinesin, die kein spanisch spricht, erneut zum Schalter geht und deren Misere erklärt. Es gibt offiziell weiterhin kein Ticket aber sie solle mit dem Busfahrer sprechen. Das tut sie und wie durch ein verspätetes Weihnachtswunder ist ein Platz im Bus frei, obwohl auf dem Papier nichts zu finden ist. Verstehe das, wer will. Hoffen wir, die Chinesin hat ihren Flug erwischt.

Nicht das Dröhnen der Motoren

Wenig später sitze ich im Oldtimer-Taxi, in dem die Lautsprecher versuchen das Dröhnen des alten Motors zu übertönen und wir verlassen Havanna. Nach ein paar Minuten Fahrt ändert sich das Straßenbild. Wo zuvor nur Autos zu sehen waren, sind nun Kutschen als Transportmittel unterwegs und das bleibt so, bis wir 3 Stunden später in der atemberaubenden Landschaft von Viñales ankommen, mich ein Appetit auf mein vietnamesisches Lieblingsgericht beschleicht, was ich hier auf keinen Fall finden werde. Schnell dämmert mir warum. Viñales ist für mich das kubanische Nordvietnam mit den beeindruckenden Karstfelsen, die nicht in Reisfeldern dafür inmitten der grünen Tabakfelder drapiert sind. Mein kubanisches Vietnam ist ein herrlicher Kontrast zu den lauten, abgaserfüllten Straßen von Havanna und ich freue mich hier zu sein, auch wenn ich kein Bun-Pho sondern Reis und Bohnen essen werde.

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Anica

Hallo und willkommen auf just-not-enough-time. Ich bin Anica und teile hier meine Reiseerfahrungen und –empfehlungen.
Seit über 15 Jahren backpacke ich durch die Welt und es ist kein Ende in Sicht.
Wenn ich nicht reisen kann, dann probiere ich neue Dinge aus und schreibe darüber.

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