Bilderbuch-Perfekt
Der erste Eindruck von Viñales ist verzaubernd. Idyllisch von den schönen Bergen umgegeben liegt die Hauptstraße, die kaum Verkehr führt, gesäumt von bunten einstöckigen und gut erhaltenen Gebäuden, die hervorragend in Schuss sind. Nichts gleicht dem Verfall der Gebäude in der Hauptstadt. In Viñales ist Tourismus und somit auch Geld, deutlich erkennbar an den gut erhaltenen Häusern, die fast alle Gästezimmer anbieten. Die Entwicklung in den letzten zwei, drei Jahren muss rasant gewesen sein, denn ein Reiseführer aus dem Jahr 2012 beschreibt den Ort deutlich anders, als er sich heute präsentiert.
Zimmer mit Aussicht
Mein erstes Gästezimmer ist nicht ganz so idyllisch aber mit Aussicht auf den Stolz des Hauses, einen weißen Lada. Ladas erinnern mich immer an meinen Patenonkel, der früher einen grünen fuhr. Hier in Viñales denke ich jeden Tag an ihn. Überhaupt verwundert mich, dass ich ein privates Bad habe. Da derzeit Hochsaison ist, hat meine Gastfamilie in Havanna alles gegeben, um mir ein Zimmer zu organisieren, so dass ich nicht wie andere Reisende auf irgendeinem Bauernhof übernachten muss oder am Tag der Ankunft wieder abreise, weil alles ausgebucht ist. Einziger kleiner Nachteil: ich muss dieses Mal das Badezimmer teilen, was mich nicht weiter stört.
Ja-Sager
Bei der Ankunft in Viñales frage ich eine Frau nach dem Weg zu meinem Casa, den sie mir erklärt. Ein paar Meter entfernt steht eine zweite Frau, die unsere Unterhaltung mitgehört hat, zu mir kommt und sagt, dass mein Casa ausgebucht ist. Das stimmt mit der Information meiner Gastfamilie überein, die mich instruiert hat, in mein Casa zu gehen um von dort in das Ziel-Casa geführt zu werden. Ich freue mich, dass ich am Bahnhof abgeholt werde, unterhalte mich nett mit der Dame, frage, ob sie meine Gastgeberin in Havanna kennt, was sie bejaht.
Als ich in das Casa mit Blick auf den Familienstolz einchecke, weist mich die Inhaberin darauf hin, dass ich nur drei Nächte bleiben könne, weil sie eine neue Reservierung im Anschluss hat. Komisch, denke ich, meine Havanna-Familie hatte den genauen Zeitraum abgesprochen. Doof, dass ich einmal mehr alles packen muss, aber gut, mir ist heiß, ich möchte in das schöne Tal, wird schon alles passen.
Ausgesperrt
Später schließe ich mich aus meinem Zimmer aus, habe kein Geld, kann mich nicht umziehen und erfahre, dass meine Gastgeber vor fünf Minuten abgefahren sind und erst Stunden später wieder kommen werden. Mit meinen deutschen Nachbarn versuche ich das Schloss aufzubrechen, den Schlüssel aus dem Zimmer zu fischen – aber nichts funktioniert. Ein Freund der Familie kommt vorbei ist aber genauso erfolgreich mit der Tür wie wir. Nur die Information kann er bestätigen, dass es Stunden dauern wird, bis die Hausherren zurück sind. Freundlicherweise leihen wir meine Nachbarn Geld und gerade als ich mit Freunden in einem Restaurant an der Hauptstraße sitze, kommt die Schwiegermutter der Gastgeber und fragt, ob ich Anica bin. Sie hält den Schlüssel in der Hand! Was für ein Glück, dass der Ort so klein ist und dass sich meine Gastgeber so ins Zeug gelegt haben.
Geld oder Kleidung
Später am Abend treffe ich die Chefin des Hauses und sie beginnt ihren Verkaufsvortrag (Mach alle möglichen Touren mit mir. Zum Strand fahren wir mit unserem Auto. Iss bei uns zu Abend. Du kannst den Zimmerpreis mit Geld zahlen oder wir handeln mit Kleidung, da Klamotten in Kuba schwer zu beschaffen sind.) Ich höre ihr zu aber in meinem Kopf haben sich die Zweifel breiter gemacht, ob ich wirklich im richtigen Casa bin. Ich erzähle ihr den Ablauf, wie ich bei ihr gelandet bin und sie wechselt schnell das Thema, nachdem sie sagt, dass sie ihre Reservierungen noch einmal prüft. Ich lasse mich ablenken und suche mir zwei Tage später eine neue Bleibe, weil sie ausgebucht ist. Das positive: in der neuen Casa sind mein Zimmer und die Aussicht besser und die Betreiber herzlicher.
Den Landsleuten schaden
Später, zurück in Havanna, bewahrheitet es sich, dass in einer kleinen Casa in Viñales vergeblich auf mich gewartet wurde, in einer Casa mit geteiltem Bad. Ich bin wirklich einem Schlepper, in Kuba Jinetero genannt, auf den Leim gegangen. Das erste Mal in knapp 20 Jahren Reisen habe ich es nicht bemerkt. Für ein paar Tage lässt mich der Gedanke nicht los, obwohl ich bis auf den Umzug, der sogar zu einem besseren Ort führte, keine Nachteile hatte. Vielmehr haben sich Nachbarn mit einer Lüge um das Einkommen gebracht und meine Havanna-Familie um die Casa-Vermittlungs-Kommission (was ich nicht ganz so bedauerlich finde, da ich diese pro Nacht zahlen muss.)
Was mich nicht los lässt sind die Lügen. Ich wurde angelogen, zweifach, innerhalb kurzer Zeit, von der Casa-Besitzerin, die vorgibt nichts zu wissen und der Schlepperin, die angeblich meine Gastfamilie in Havanna kennt. Dieses Mal waren es nicht die Taxifahrer, die mit überhöhten Preisen oder unrealistischen Distanzangaben den ersten Eindruck trüben.
Wäre mir das in deutscher oder englischer Sprache auch passiert oder wäre es nicht passiert, wenn ich fließend spanisch sprechen würde? War ich zu naiv? Zugegeben, die Schlepperin war eine hervorragende Schauspielerin. Mein Bild von den Touristenregionen Kubas hat einen weiteren Kratzer.
Leider.
[…] Bei der Ankunft genau darauf achten, dass man im richtigen Casa Die Schlepper sind sehr clever in Viñales – siehe hier. […]