Kuba Tanzen

Was die Augen nicht sehen, fühlt das Herz nicht. Novio Cubano. Der kubanische Boyfriend. Teil I

Novio Cubano
Casa de la Musica Havanna

First things first

Vor der Abreise nach Kuba sagt mir ein Latino-Freund: Hab viel Sex aber verlieb dich nicht.

Ein paar Tage später sagt mir eine Kubanerin: Sei bloß vorsichtig mit den Kubanern.

Aus der Ferne, in Deutschland, klingen diese Warnungen übertrieben, unverhältnismäßig. Ich reise ja nicht, um einen Novio, einen Freund, zu suchen. Außerdem weiß ich, dass manche Kubaner und Kubanerinnen Beziehungen mit Touristen eingehen um langfristig durch Heirat ein Visum fürs Ausland zu erhalten.

Freund ist nicht gleich kubanischer Freund

Und doch überrascht es nicht nur mich, wie oft in Kuba die Frage gestellt wird: Hast du einen Novio Cubano, einen kubanischen Freund?

Eine Unterhaltung, mit einem Taxifahrer und einem italienischen Fahrgast, geht ungefähr so:

Taxifahrer: Wie viele Novios hast du?

Anica sagt nichts, sieht den Fahrer verwundert an.

Italiener, ganz begeistert von der Frage und mit großem Mitteilungsbedürfnis: Also ich habe drei Frauen.

Taxifahrer: Sag mal, wie viele hast du? Man braucht doch eigentlich in jeder Stadt einen…

Ich antworte nicht aber frage nun den Taxifahrer, der verlegen nach einer Antwort sucht und dann schwindelt: Ich habe nur eine.

Mir scheint es als wäre der Novio Cubano eine Extra-Kategorie im Beziehungsalltag. Es gibt den „normalen“ Freund und den Novio Cubano. Für mich ist Freund gleich Freund, egal woher. Auf Kuba gelten andere Gesetze.

„Wir Kubaner, wir sind alle verrückt.“

Ich bin ein paar Wochen im Land als ich das erste Mal in Havannas berühmten Open-Air-Salsa-Club 1830 gehe. Mein Tanzpartner verwickelt mich in ein Gespräch. Nachdem er weiß, wo ich herkomme sagt er: „Los cubanos – todos somos locos. Die Kubaner – wir sind alle verrückt.“ Ich lache und frage, wie er darauf kommt als er mir mitten auf der Tanzfläche einen Kuss auf die Lippen drückt. Point made. Ich hab’s verstanden. Locos. Und er bleibt nicht der Einzige, der relativ zu Anfang einer Unterhaltung diesen Satz sagt. Aber zum Glück der einzige, der seinen Standpunkt mit einer Demonstration illustriert.

Aus den Augen….

Bisher bin ich auf Reisen immer gut mit Ausreden gefahren, insbesondere wenn die Frage nach dem Freund oder Ehemann kam. Hin und wieder waren die Gesprächspartner verwundert, je nachdem, wo ich die imaginäre bessere Hälfte gerade gelassen hatte – im Hotel oder in Deutschland. In Kuba scheint man besonders besorgt zu sein, denn mir wird deutlich öfter Abhilfe angeboten.

Es ist ausgerechnet ein Rettungsschwimmer, der nach zwei Minuten Unterhaltung sehr eindringlich vermittelt, dass ich unbedingt die „kubanische boyfriend experience“ brauche. Ich erkläre ihm mehrfach, dass ich sehr glücklich mit dem Daheimgebliebenen bin, woraufhin er sagt: Ojos que no ven, corazon que no siente. Was die Augen nicht sehen, fühlt das Herz nicht. Problem aus seiner Sicht gelöst.

Ich frage ihn, was seine Frau davon hält. Bei ihr handhabt er das genauso. Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.

Zumindest ein Kuss müsse möglich sein, meint der kubanische Mitch Buchannon, der boyfriend ist doch in Deutschland! Außerdem wisse ich ja nicht, wie caliente, heiß, die Kubaner seien. Ich bin aber nicht Toyota – bei mir sind gewisse Dinge unmöglich. Der caliente Rettungsschwimmer muss sich im karibischen Wasser abkühlen.

Piropos…Komplimente und Flirten

Im Vergleich zu anderen mittelamerikanischen Ländern, wo einem des Öfteren hinterhergepfiffen wird, ist das Flirten in Kuba deutlich offensiver. Die Komplimente auf der Straße reichen von „Du hast die schönsten Augen“ über „I love you“ bis zu „Wenn du hier auf deinen Freund wartest: Ich bin es.“

Es vergeht kaum ein Tag ohne Kompliment. Seltsam und creepy sind die Komplimente, die mir im Vorbeigehen zugezischt werden. Generell bin ich aber der Meinung, dass man überall auf der Welt mehr Komplimente machen sollte.

Let’s dance.

In kleinen Orten, wo die ‚’Gefahr’ sehr hoch ist, dass man sich abends in denselben Bars und Clubs wieder und wieder über den Weg läuft heißt es: Wir tanzen heut Abend.

Als Salsa-Liebhaberin ist das anfangs eine schöne Aussicht. Nachdem ich längere Zeit an einzelnen Orten verbringe, und dieselben Personen Abend für Abend im Einsatz erlebe, verstehe ich die Aussage eines Freundes immer besser.

„Ich würde meine Freundin nie mit einem anderen tanzen lassen. Ich würde sie auch nicht allein ausgehen lassen.“ Damals sehe ich ihn entsetzt an: „Ich würde mir das nicht verbieten lassen.“

„Anica, Tanzen ist nicht nur tanzen. Es passiert so schnell so viel.“

Die Frage: „Wie, ihr tanzt in Deutschland nicht zusammen? Wie lernt man sich dann kennen?, trifft den Nagel auf den Kopf.

Hat man einen Tanzpartner, weicht der einem kaum von der Seite, auch an den Folgetagen nicht. Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass kein anderer der einheimischen Tänzer anfragt und so die möglichen Bande gefährdet.

Kommt doch ein anderer lokaler Tänzer ins Spiel, so hat der sich zuvor bei dem Ersttänzer die Erlaubnis eingeholt. In einigen Städten, in Santiago, wird mir erzählt, ist es ein regelrechtes Geschäft. Merkt der Tänzer, dass nicht mehr als Tanzen möglich ist, kann ein Neuer für Geld die „Tanzgenehmigung“ übernehmen und sein Glück versuchen. Wie gesagt, das gilt an touristischen Orten, in Bars und Clubs, die stark von Ausländern frequentiert sind und entsprechend die kubanischen Profi-Flirter ihr Einsatzgebiet haben. Sie lassen sich auf ein Getränk einladen, sind bereit für eine Nacht, für ein paar Tage oder für alles. Es ist nicht nur Fun and Games, es ist ein Beruf, es ist ein Geschäft – oftmals mit der Ahnungslosigkeit.

Hier geht es zur Fortsetzung:

Teil II: Novio Cubano. Der kubanische Boyfriend. Jinetero.

Teil III: Novio Cubano. Jineteros – Prostituierte oder nicht?

Teil IV: Novio Cubano: Heute gefällst du mir. Anzeichen für Jinetero.

 

 

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Anica

Hallo und willkommen auf just-not-enough-time. Ich bin Anica und teile hier meine Reiseerfahrungen und –empfehlungen.
Seit über 15 Jahren backpacke ich durch die Welt und es ist kein Ende in Sicht.
Wenn ich nicht reisen kann, dann probiere ich neue Dinge aus und schreibe darüber.

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