Morgenstund’…
„Wir wollen auf den Mogote Berg steigen und danach zu den Wasserfällen, die wie ein Jacuzzi sind. Dauert 5 Stunden. Hast Du Lust mitzukommen?“
Das ist die Frage, die dazu führt, dass ich am Ende des Tages Arme und Beine wie eine Crazy-Cat-Lady habe und nicht mehr bereit bin auch nur einen einzigen Meter zu laufen. Was ist passiert?
Es ist kurz vor 9 Uhr im hügeligen Jarabacoa. Ich habe zwar eine Idee, was ich heute machen möchte aber beim Alleinreisen wirft man schnell mal alle Pläne über den Haufen. Also adieu Kaffeeplantage und rotierendes Restaurant – auf geht es zum Berg Mogote mit meinen neuen Reisebekanntschaften.
Guides in Flip Flops
Nach kurzer Fahrt parken wir das Auto neben einem kleinen Kloster und der Aufstieg beginnt. Der Wegweiser verkündet 3700m bis zur Spitze, die auf einer Höhe von 1560m liegt. Klingt machbar, gerade vor dem Hintergrund, dass unsere Guides Flip Flops tragen und erzählen, dass sie den Aufstieg in knapp einer Stunde schaffen. Kann also so schlimm nicht sein, oder?
Wir folgen ihrem sportlichen Tempo und können anfangs noch die Schönheit des Waldes genießen. Dann wird es steiler und steiler und alle Aufmerksamkeit gehört dem Weg, der teilweise vom Regen der Vortage ausgespült ist. Es dauert nicht lange bis unsere Köpfe in den karibischen Temperaturen glühen und bereits nach einer halben Stunden potenzieren sich die Fragen: Ist es noch weit? Wird es noch steiler? Sind wir bald da?
Der saure Apfel wäre besser gewesen
Etwas Ablenkung von den Strapazen bringt das Obstpflücken: Limonen, Guaven, Himbeeren und Avocados finden sich am Wegesrand sowie eine Frucht, die aussieht wie eine Tomate aber sehr giftig ist. Wir beißen in Limonen und schon ein paar Minuten später bereue ich die Entscheidung. Mein Magen ist nicht einverstanden mit dem Cocktail aus Hitze, Anstrengung und Zitronensäure. Ein paar Mal tief einatmen und weiter geht es. Unsere Guides rennen den steilen Berg rauf und man muss fast Mitleid mit ihnen haben, dass wir sie mit unserer Geschwindigkeit von neuen Rekorden abhalten.
Ein Bauer, ein Pferd und ein paar Hühner
Nach einer Stunde, wir sind noch weit entfernt von der Spitze, dafür ganz nah am Ende unserer Kräfte, gibt es eine wunderschöne Aussicht ins Tal. Um Zeit für eine Pause zu schinden machen wir Fotos bevor es weiter bergauf geht, fast senkrecht. Die Klimazone und die Pflanzen ändern sich und wir müssen immer weiter, immer steil bergauf. Der Blick ist nach unten auf den rutschigen Lehmweg gerichtet.
Unsere Guides müssen hauptberuflich Bootcamp-Trainer sein – sie lassen uns kaum Luft holen. Schlapp machen gilt nicht und zum Aussprechen der Gedanken wie „ich bleib hier, ich geh wieder zurück“, fehlt die Puste.
Zeitweise blockiert dorniges Gebüsch den Weg und wie Entdecker bahnen wir uns unseren Weg hindurch, zerkratzen uns Arme und Beine. An der Kleidung, in den Haaren UND auf der Haut bleiben kleine Kletten hängen.
Ich mache es kurz: Nach zweieinhalb unendlichen Stunden erreichen wir fix und fertig, durchgeschwitzt, erschöpft und mit hochroten Köpfen den Gipfel. Uns erwarten ein Bauer, ein Pferd, ein paar Hühner und eine Aussicht, die zuerst von Wolken verhangen ist, später mit einer wundervollen Sicht ins Tal entschädigt.
Wir lassen uns ins Gras fallen und von der Sonne wärmen. Meine Arme brennen wie bei einem Sonnenbrand obwohl ich mich gut eingecremt habe. Es waren die Dornen. Hunderte von kleinen Kratzern verzieren meine Haut und führen dazu, dass ich mir wie eine Crazy-Cat-Lady vorkomme – allerdings ohne eine Katze weit und breit.
Durchatmen. Genießen, so gut es geht – denn alles, was wir wissen wollen ist: Müssen wir denselben supersteilen Weg wieder nach unten gehen?
Der Abstieg
Müssen wir nicht. Noch einmal 90 Minuten später, schlauer um die Tatsache, dass es einen leichteren Weg zum Aufstieg gibt, stehen wir erleichtert vor dem Wegweiser vom Anfang. Geschafft!
Die Freude über das Ende hält nicht lang, denn unsere Bootcamp-Trainer wollen sofort weiter zum Jacuzzi-Wasserfall. „Sind nur 20 Minuten mit leichtem Anstieg“, sagen sie. Wir sehen uns an und sind uns einig: Kein Schritt mehr! Wir halten allen Überredungskünsten stand. Am Ende fahren wir zu einem Fluss, der nur zehn Meter vom Parkplatz entfernt ist und mindestens genauso schön, wie der Wasserfall, den keiner von uns sieht.
Lessons learnt
Später, als ich für diesen Text recherchiere und wir die selbst geernteten Avocados in einem Salat verarbeiten, finde ich heraus:
- Der Berg hat Steigungen bis zu 50%.
- Wer gut trainiert ist braucht 3 Stunden….und wir nicht trainierten Backpacker wurden in zweieinhalb Stunden den Berg hochgejagt.
Auch wenn unsere Guides erklärten: „Ihr seid die zweitlangsamste Gruppe, mit der wir auf den Berg geklettert sind…“ entscheiden wir, ihnen nicht zu glauben und sind froh, dass wir ahnungslos waren, denn sonst hätten wir keine Guaven, Limonen und Avocados gepflückt. Und wären nicht auf den Berg gestiegen.
Tipps für die Bergbesteigung
- Longsleeve oder dünnes langärmeliges Hemd einpacken
- Knielange Shorts tragen
- 1,5 Liter Wasser mitnehmen
- keine Flip Flops tragen – Sportschuhe sind ausreichend
- Und ganz wichtig: Nach dem „gemütlichen“ Aufstieg fragen oder ein Pferd mieten.
Add Comment