In FlipFlops zum Zahnarzt
Meine Gastmutter in Havanna meint es gut mit mir als sie mir zum Nachttisch Eis anbietet. Natürlich möchte ich Eis, ich möchte fast immer Eis und für Wochen war Eis mein Standartmittagessen. Weil ich aus Sicht meiner Gastmom nie genug esse, kompensiert sie beim Nachtisch. Nicht zwei oder drei Kugeln groß ist die Portion, es sind fünf oder sechs, wenn nicht sogar sieben. Ich hätte es ahnen können, sind doch in vielen kubanischen Eisdielen zehn Kugeln keine ungewöhnliche Bestellung. Ich beschwere mich nicht. Dafür beschwert sich mein Zahn Minuten später und das für eine halbe Stunde, bevor wieder Ruhe einkehrt. Was ich in dem Moment nicht ahne – das ist nur der Auftakt. In den folgenden Wochen ist wieder und wieder Zahnalarm. Zuerst nur bei Eis, später bei heißen Sachen, zuletzt völlig ohne Grund und mitten in der Nacht, im Schlaf. Es sind noch Wochen bis zur Heimreise und ich muss mir widerwillig eingestehen, dass ein Zahnarztbesuch nicht zu vermeiden ist.
Zuerst wird aber ordentlich prokrastiniert. Ich warte einen Tag, vielleicht wird es besser. Dann noch einen. Dann weiß ich, dass ich wieder in ein spanischsprachiges Land reise. Ich warte zwei weitere Tage. Ein Zahnarztbesuch in der Dominikanischen Republik ist wirklich ratsamer, weil ich zumindest die Sprache spreche. Zu Anfang gehe ich auch in Dominikanien getreu dem Motto vor „das mach ich mañana“. Irgendwann gebe ich die Hoffnung auf, dass die Schmerzen von selbst gehen werden. Der Zahnarzttag beginnt vielversprechend: Ich verschütte den Kaffee und am Strand trete ich in einen großen Dorn, weil ich es wichtig finde vor dem Zahnarztbesuch surfen zu gehen. Es läuft.
Um 15 Uhr ist der große Moment da und ich betrete die kleine Klinik, in der zu meinem Glück ein deutscher Zahnarzt arbeitet. Wie ich wartend auf einem Stuhl sitze und an mir runtersehe, kann ich mir ein Lächeln nicht verkneifen…in FlipFlops zum Zahnarzt. Das ist auch neu.
Der Zahnarzt bittet mich zu sich, ich gebe ihm eine kurze Zusammenfassung und schon sitze ich auf dem Behandlungsstuhl und schaue auf einen Fernseher. Ich mochte bei meinem alten Zahnarzt immer die Delphinbilder an der Decke aber TV ist deutlich besser.
Bevor das Ablenkungsprogramm eingeschaltet wird, gibt es eine kurze Live-Übertragung aus meinem Mund. Sieht alles aus wie immer, wenn da nicht die Schmerzen wären.
Der Zahnarzt hier hat auch eine Vorliebe für Tiere, denn der Natur-Kanal läuft und ich kann zusehen, wie Killerameisen Maden bei lebendigem Leib verspeisen, wie eine giftige Schlange eine kleine Maus verschlingt und wie ein gekrönter Adler zum Frühstück kleine Äffchen aus den Baumkronen herausreißt. Das ganze passiert im Kongo während ich die Schmerzen aus der Hölle erleide und den Zahnarzt samt Instrumentarium reflexartig wegschiebe. Mehrfach.
„Vielleicht sollten wir doch betäuben?“, fragt er mich.
„Wie lange dauert es noch?“
„Zwei, drei Sekunden.“
„Das halte ich aus. Das muss doch machbar sein“.
Er setzt wieder an und wieder schiebe ich ihn automatisch weg. Noch ein Versuch, ich hole tief Luft und bevor er richtig ansetzen kann habe ich ihn weggeschoben.
So wird das nichts. Es wird betäubt und das ist richtig so. Nach einer Stunde verlasse ich die Klinik, bedanke mich beim Arzt für mein schönstes Ferienerlebnis und bin froh, dass es vorbei ist. In meinen Ohren klingen leider seine letzten Worte nach. Es könnte sein, dass zwischen den beiden behandelten Zähnen noch ein Problem liegt…. Ich hoffe er irrt sich, ahne aber, dass er recht behalten wird.
Abends beißt mich zum krönenden Abschluss ein Hund in den Waden, zum Glück ist es kein Sträuner sondern der Hund eines Freundes, und bereits am nächsten Tag gehen die Schmerzen in die nächste Runde. Es ist Freitag, der letzte Arbeitstag der Woche, und ich rede mir ein, dass es die Nachwirkungen der Behandlung sind, die Zähne sind noch übersensibel. Am Samstag weiß ich, dass es keine Nachwirkungen sind und ich bis Montag warten muss…
Per whatsapp verabrede ich den Termin mit dem Arzt und er sagt mir, auf welche Schmerzmittel ich zurückgreifen soll. Ibu 600 hat nicht gewirkt, er schlägt 800 vor oder bei starken Schmerzen Oxa Forte. Meine Schmerzen sind stark und ohne Rezept reicht mir die Apothekerin das Medikament. Nachdem sie mir sagt, ich müsse nichts weiter beachten, nehme ich die erste Tablette. Nach 15 Minuten fühle ich mich wie benebelt und google, was genau der Wirkstoff ist. Codein, aus der Gruppe der Opiate….na dann.
Hallo Anica, die Story klingt interessant …und ich hätte da eine Frage: wie heißt die Klink und wie heißt der Zahnarzt? Ich fliege morgen nach Havanna und habe auch so einen Problemzahn, der sich immer wieder völlig unerwartet meldet. Könnte sein, dass ich deinen Zahnarzt brauche! Vielen Dank!
Hallo Erik,
ein Zahnarztbesuch im Ausland ist immer so ne Sache….ich war damals in der Dominikanischen Republik, in Cabarete. Das war nach meiner Zeit in Havana. Leider kann ich Dir keinen Zahnarzt dort empfehlen. Kennst Du die Facebook-Gruppe Kuba – Salsa, Sonne und Meehr (https://www.facebook.com/groups/1697520963801816/) Dort sind viele Leute, die schon in Kuba waren – die können Dir sicher einen Zahnarzt empfehlen.
LG Anica