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Ankunft in Tansania: Wenn Mission 1 an Tag 1 scheitert

Straßenrand Tansania
Erste Eindrücke

Nach durchflogener Nacht setzt das Flugzeug auf tansanischem Boden auf. Der Himmel strahlt blau, die Sonne scheint und die tropische Hitze umarmt mich zur Begrüßung. Obwohl Daressalam eine Großstadt ist, ist der Flughafen klein und übersichtlich, so dass die Neu-Ankömmlinge das Rollfeld zu Fuß zur Eingangshalle mit der Visums-Vergabe überqueren. In dem kleinen grauen Raum drängeln sich dreißig Leute, die alle ihre Einreisezettel ausfüllen. Zwei Beamte sitzen hinter Schaltern und ein Dritter sammelt nach einem unverständlichen Prinzip Geld und Pässe ein. Ich gebe ihm 50 Dollar und meinen Pass. Ich habe eine Frage, aber in dem rasanten Tempo, wie der Pass-Mann den Leuten das Geld aus der Hand nimmt, habe ich keine Chance. 
Immer mehr Leute erhalten ihren Pass mit Visum zurück, immer leerer wird der kleine graue Raum und immer nervöser werde ich. Nach zehn zähen Minuten, die sich wie eine halbe Stunde anfühlen, höre ich meinen Namen.
So entspannt und zuversichtlich wie möglich gehe ich zum Einreisebeamten und schaue ihn an. Er reicht mir ohne Zögern meinen Pass, lächelt und wünscht mir einen guten Aufenthalt. In meinem Pass prangt ein großer Aufkleber mit meinem Foto und Namen! Mein Visum! 
Für einen Moment schiebt sich die Erinnerung an die Frau vom Check-In in meine Gedanken, doch dann freue ich mich zu sehr: Ich bin in Tansania!

Mamma Mia!

Ich verlasse das Flughafengebäude und bin innerlich darauf vorbereitet von Taxifahrern, Touren-Anbietern, Taxifahrern und Hotelbetreiberin angesprochen zu werden. Aber, es passiert nichts. Keiner rennt auf mich zu, keiner spricht mich an. Nicht einmal mein vorbestellter Taxifahrer kommt auf mich zu. Er steht vereinsamt mit einem jungen Mann vor dem Ausgang. Sie unterhalten sich, weil der junge Mann nicht sicher ist, wo er die ersten Tage verbringen will. Letztlich entscheidet er sich mit uns mitzufahren. 
Als wir das Gepäck verstaut haben und im Auto sitzen, spüre ich die Macht der tropischen Hitze jenseits von 30 Grad. Genau richtig für Ende Oktober. Aus meiner Sicht richtig für jeden Monat des Jahres. Nur unangenehm, wenn man im Zwiebelprinzip für winterliche Temperaturen auf einem Berggipfel gekleidet ist.
Afrikanische Klänge dudeln aus dem Radio, an uns rauschen sandige Straßen und ein paar vereinzelte Bäume vorbei. Ob Dar ähnlich chaotisch ist, wie Neu Delhi? Mein Gedankenfluss wird unterbrochen, weil Taxifahrer Abdul die Musik ändert. Warum, will ich ihn entsetzt fragen, als die neuen Töne aus den Lautsprechern hämmern: ABBA. Er spielt wirklich ABBA. Ob er das extra für seine deutschen Fahrgäste spielt? Heimlich freue ich mich auf den nächsten Schlager-Move und bin gespannt auf das Hostel, das erste zu Hause auf der langen Reise.

Ein tropenmedizinisches Geschenk

So laut wie die Musik im Auto ist, so ruhig ist mein Mitfahrer. Er sagt kaum etwas. Dafür sieht er aus wie Derek Shepherd. Grüne Augen, braune Locken. Wie ein Schulkind am ersten Tag frage ich mich, ob wir wohl die nächsten Tage etwas unternehmen werden. Allein reisen will ich, aber Alleinsein – das will ich nicht. Ob er mein Reise-Buddy wird?
Das wäre eine große Erleichterung und deswegen beginne ich eine Unterhaltung. Jannik kommt aus Berlin, ist ungefähr so alt wie ich und Arzt für Inneres und Tropenmedizin. Ein Tropenmediziner! Den hat mir der Reisegott geschickt! 
Ich habe noch dringende Fragen, die mir nach sieben Simultanimpfungen im Tropeninstitut nicht mehr eingefallen sind. Wie ein menschliches Nadelkissen habe ich die Prozedur vor ein paar Wochen über mich ergehen lassen. Tollwut, Gelbfieber, Enzephalitis und was noch alles dabei… So schnell wie ich die Spritzen im Arm hatte und zur Tür raus geschickt wurde, blieb keine Zeit um nach möglichen Nebenwirkungen zu fragen. Das Schicksal meint es gut mit mir. Ich habe meinen persönlichen Tropenmediziner. Mit den Fragen überfalle ich ihn jetzt aber nicht. Ich hoffe vielmehr, dass er später Lust hat, sich die Stadt mit mir anzusehen.

Der erste Eindruck in einer neuen Stadt

Während unserer Unterhaltung hat Fahrer Abdul uns sicher nach Dar gebracht. Er erklärte uns fürsorglich die Straßennamen, Orientierungspunkte und Restaurants, damit wir uns gut zurecht finden. 
Die Straßen sind verwinkelt und zugeparkt mit mehr oder weniger intakten Autos. Afrikanisch und arabisch aussehende Menschen laufen am Straßenrand entlang und ich weiß Sekunden später bereits nichts mehr. Hitze, Müdigkeit, Reizüberflutung und das Gefühl der Fremde blockieren meine Aufnahmefähigkeit. 
Mit weit aufgerissenen Augen verfolge ich das Treiben. Unheimlich kommt mir alles vor, so wie damals bei der Ankunft in Neu Delhi, auf dem Weg vom Flughafen ins Stadtzentrum. Ich traute meinen Augen kaum. Müll am Straßenrand, Mauerreste, die wir zerbombt wirkten und natürlich Kühe. Das sollte eine Hauptstadt sein? Ein Schlachtfeld – so sah das für mich aus, schockierend wie ein Kriegsschauplatz. Und ich hatte mir vorgenommen Monate dort zu leben, unwissend, wie chaotisch es sein würde. Aber der Schock ließ damals innerhalb eines Tages nach. Darauf vertraue ich jetzt auch. Zum Glück erschreckt mich Dar nicht wie Delhi damals, aber Erinnerungen werden wach und die passenden Gefühle leider auch.

Ein Gefühl fehlt

Irgendwann halten wir, sollen durch ein großes Gitter, einen Gang zwischen zwei Häusern entlang gehen, dort ist der Hosteleingang. Ich hatte mir Bilder des Hostels angesehen und gelesen, dass sich die Besucher sicher fühlten, sonst wäre ich spätestens jetzt überzeugt, dass ich jeden Moment überfallen werde. Ich bin ein aufgeschrecktes Huhn, das jeder Bewegung nachschaut und sich zu jeder Geräuschquelle nervös umdreht. Und ich habe definitiv mehr Adrenalin als Blut in meinen Adern. Der Körper ist aktiviert zu höchster Alarmbereitschaft. Die große Unsicherheit, in einem Land, von dem ich nichts weiß, mit Menschen, die aufgrund ihres ungewohnten Aussehens einschüchternd auf mich wirken. Ich falle hier auf. Ich fühle viel – nur die eine Sache nicht, die mir jetzt so wichtig ist: Sicherheit. 

Daressalam
Straßenleben im Zentrum von Daressalam.

Das Einchecken im Hostel lenkt mich von der Unsicherheit ab. Die desinteressierte Rezeptionsfrau schiebt mir Anmeldebogen und Stift zu. Unter der Annahme, dass sie nur einen Stift hat, zückt Mitfahrer Jannik einen zweiten um parallel einzuchecken. Aber die Frau ist nicht daran interessiert zwei Leute parallel abzufertigen und ist entsetzt, als Jannik nach einem Bogen fragt, während ich meinen ausfülle. Sie wartet mit stoischer Ruhe.

Mission 1 scheitert. Kläglich.

Ich verabrede mich mit Jannik und steige gespannt die Treppenstufen zu meinem ersten Zimmer auf dieser Reise hoch, vorbei an dem Aufenthaltsraum, in dem Couchen stehen, die zum Schutz mit Plastikfolien überzogen sind oder nie ausgepackt wurden. Bei den Temperaturen klebt man sicher daran. 
Schon stehe ich vor einer zerbrechlich wirkenden Tür. Ich schließe auf und bin positiv überrascht. Es ist etwas düster, weil es kein Fenster gibt, aber dafür ist es sauber und geräumig. Auch wenn mir bei diesen fensterlosen Zimmern jedes Mal das blutverschmierte Zimmer aus „The Beach“ in den Kopf schießt, in dem Leonardo di Caprio aufwacht, gefällt mir das hier. Der Boden ist gefliest, das schmale dunkelbraune Bett steht einsam in einer Ecke, ein Spiegel an der Wand und zwei Stühle – mehr brauche ich nicht.

In 2010 habe ich wenig fotografiert. Ein Smartphone hatte so gut wie niemand, Instagram gab es nicht. Selbst viele Jahre später ist die in Plastik eingeschweißte Couch noch im Einsatz. Zumindest wenn man den Bildern trauen darf. Fotos des Safari Inn in Daressalam

Chaos im Hostelzimmer: Minutensache.
Wichtig: Taschen hochstellen, damit es die Kakerlaken schwerer haben.

Nun zählt nur, dass ich aus meiner Winterbekleidung aussteige und den Ankunftsschock abdusche. Und hier, in der kleinen Dusche, passiert dann das schlimmste, was genau in dem Moment passieren kann. Meine Mission Nummer 1 scheitert. Kläglichst.
Ich hatte mir fest vorgenommen, alles zu tun um nicht von Mücken gestochen zu werden! Nun bin ich zehn Minuten im Hostel und die kleinen Biester schlagen zu, als ich am verletzlichsten bin: In der Dusche.
Habe ich jetzt Malaria? Dengue? Oder leben Insekten unter meiner Haut?
Zugegeben, vielleicht war meine Mission utopisch. Aber ich hatte nicht einmal die Chance das gute Anti-Moskito-Spray No-Bite aufzulegen. Gemein!

Teil 1: Einleitung – 9 Monate Weltreise
Teil 2: Abreisetag – muss ich hier bleiben?
Teil 3: Was habe ich mir bloß bei dieser Reise gedacht?
Teil 4: Hast du gerade gelesen : )
Teil 5: Kommt bald.

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About the author

Anica

Hallo und willkommen auf just-not-enough-time. Ich bin Anica und teile hier meine Reiseerfahrungen und –empfehlungen.
Seit über 15 Jahren backpacke ich durch die Welt und es ist kein Ende in Sicht.
Wenn ich nicht reisen kann, dann probiere ich neue Dinge aus und schreibe darüber.

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