Im täglichen Kampf um den nächsten CUC haben die Kubaner in den letzten Jahrzehnten viele Strategien entwickelt. Manch eine ist kreativ, manch andere berührt und übertritt moralische und gesetzliche Grenzen. Als Besucher und Beobachter ist es schwer zu bewerten. Zwei Wochen oder drei Monate im Land sind nichts im Vergleich zu 59 Jahren. Hier kommen die Strategien:
Homemade
Viele Händler ziehen von Haus zu Haus und verkaufen selbst hergestellte Produkte, wie z.B. Marmelade, Kekse und Kuchen, die deutlich günstiger sind, als in den staatlichen Geschäften. Zahncreme, Bier und andere industrielle Produkte führen sie nicht im Sortiment. Es bleibt bei den unerschwinglichen Preisen.
Alles Diebe?
Ein deutscher Freund, der viele Jahre in Kuba lebte, sagte zu mir, dass Kuba ein Land voller Diebe sei. Arbeitet jemand in der Eisproduktion, nimmt er Eis mit. Eine Krankenschwester, ein Arzt nehmen medizinische Produkte mit, jemand in der Fleischerei Wurst, jemand in der Konservenfabrik bringt Konserven mit nach Hause.
Eine kubanische Bekannte erklärt es diplomatischer. Die Arbeiter und Angestellten sehen in dem, was sie mitnehmen, einen Teil des schlechtbezahlten Tauschgeschäftes „Arbeitsleistung für Geld“.
Ausländische Verwandte
Viele Kubaner haben Verwandte und Freunde im Ausland. Es ist ein unausgesprochenes Gesetz, dass diese Geld und Geschenke senden, das Telefon aus der Ferne aufladen und die im Land verbliebenen materiell unterstützen. Die Geschenke werden oft weiterverkauft.
Mini-Geschäfte
An manchen Plätzen sitzen Leute und führen in ihrem Sortiment 3 Feuerzeuge, 3 Packungen Streichhölzer, ein paar Putzlappen, 4 kleine Äpfel, ein paar Einwegrasierer.
Manche ziehen mit Einkaufstaschen von Haus zu Haus und verkaufen Kleidung, die sie aus dem Ausland erhalten haben und bessern so ihre Finanzen auf.
Casa Particulares
Personen, die ein Haus und die Lizenz zur Vermietung besitzen, verdienen im Verhältnis deutlich besser.
Wenn ein Familienmitglied ein Business hat, so hilft das nicht nur dieser Person sondern alle anderen Familienmitglieder werden in Notlagen ebenfalls unterstützt und finanziell mitgetragen.
Der neuere Privatsektor
Seit 2011 ist es möglich, mit Genehmigung des Staates, ein privates Geschäft zu führen. Die Möglichkeit wurde eröffnet, nach dem die Stellen von rund 500.000 Regierungsmitarbeitern weg fielen. Zuvor waren die privatwirtschaftlichen Möglichkeiten meines Wissens nach weitestgehend auf Casa Particulares beschränkt, deren Besteuerung so hoch war, dass sie keinen hohen Gewinn abwarfen.
Tourismussektor
Die, die im Tourismusbereich arbeiten, zählen auf Trinkgelder und können so ihr staatliches Gehalt aufbessern.
Doppelter Boden
In manchen Restaurants gibt es zwei Speisekarten. Eine reguläre, für Kubaner, und eine mit ’angepassten’ Preisen für ahnungslose Touristen. Die Differenz wandert in die Taschen der Angestellten.
Kommissionen
Oft ist Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft ein Geschäft mit Kommissionen. Für die Weitervermittlung von Casa zu Casa, das zum Restaurantbringen, die Empfehlung des besten Mojitos – für jede Freundlichkeit erhält der Helfer später oft eine Kommission, und zwar für jede Übernachtung, jedes Frühstück, jedes Getränk.
Beruf: Kubanischer Boyfriend, kubanische Freundin
Und dann gibt es eine Berufsgruppe, die sich auf Beziehungen zu Touristen spezialisiert hat, die Jineteras und Jineteros. Was als Urlaubsflirt mit Geschenken und Einladungen zum Essen und in Bars beginnt – der Tourist zahlt, im Zweifelsfall doppelt, weil eine Kommission fällig wird – wird später zu einer Beziehung, die über die Distanz, die davon lebt, dass regelmäßig Geld fließt und langfristig ein Visum winkt. Natürlich steht es sich dabei auf einem Bein schlecht. Aber dazu später mehr.
Fazit
„Ich habe 14 CUC im Monat verdient als Elektroingenieur, manchmal zwölf Stunden am Tag gearbeitet, manchmal mit Wochenenddiensten. Davon kann man nicht leben, deswegen habe ich den Job geschmissen. Im Tourismus kann ich das an drei Tagen verdienen.“ Ariel, 24
„Ich habe nach dem Musikstudium als Musiklehrer 12 CUC verdient. Die Arbeit mit den Kindern hat mir Spaß gemacht – aber es ist zu wenig Geld.“ Elian, 25
„Manchmal ist der Kühlschrank leer.“
„Anica, ich habe nichts!“
Vielleicht ist es eine naive Vorstellung, vielleicht geschicktes kubanisches Tourismusmarketing, vielleicht ein wenig Übertreibung meiner Gesprächspartner. Der Effekt bleibt der Gleiche und es wundert mich nicht diese Sätze zu hören: „Ich hasse dieses Land. Ich will raus aus diesem Gefängnis!“ Aber da ist auch viel Liebe zum Land, denn wenn im Ausland viel Geld verdient wurde, möchten die meisten doch wieder zurück.
Die weiteren Artikel aus der Serie:
Teil I: Zum CUCCUC…Zwei Währungen in Kuba
Teil II: Leben mit 20 Euro im Monat? Was kostet das Leben in Kuba?
Teil III: Bier für 60 Euro. Wenn kubanische Preise in Deutschland gelten würden…
[…] Teil IV: Alles Diebe und professionelle Boy- and Girlfriends. Wie das Leben mit 20 CUC möglich ist&…. […]
[…] Wie aber (über)leben die Menschen in Kuba? Die Antworten gibt es hier. […]