Sie meint es wirklich ernst, denn da steht nicht ihr Auto sondern sie zeigt auf den Roller. Sie, das ist Sonia, meine Gastgeberin, die mich im BnB umsorgt wie eine Freundin, die zu Besuch ist. Bevor sie mir gestern die Stadt zeigte, hatte sie erwähnt, dass sie mich auf ihrem Roller zum Bahnhof fahren wird, entlang der szenischen Serpentinen, die von Taormina in den Bergen zum Bahnhof auf Meeresebene führen. Sie und Google-Translate. Als wir am Vortag vor ihrem Auto standen, dachte ich, dass ich sie missverstanden hätte – habe ich aber eindeutig nicht, wie ich an dem weißen Roller erkenne, auf dem ich kurz später sitze: mit Sonia – und meinem Koffer. Während sie langsam die kurvige Straße entlang fährt, deutet sie auf die Stationen des Vortages und legt noch einen letzten Fotostopp ein.
Ein mille grazie ist nicht genug
Neun Minuten vor Abfahrt des Zuges parken wir am Bahnhof. Zeit für einen Kaffee ist noch genug– Kaffee in Italien ist ein Espresso. Vor dem Herzlich-Willkommen-Ronaldo-Poster in der kleinen Bahnhofscafeteria trinken wir den ungesüßten Kaffee und dann rollt der Zug ein. Ich kann auf deutsch kaum in Worte fassen, wie dankbar und unfassbar ich über Sonias Gastfreundschaft bin – auf italienisch bleibt mir ein mille grazie, als sie mir den Koffer in den Zug nach Messina hoch reicht.
Irgendwas fehlt immer
In Messina habe ich 10 Minuten zum Bus finden und Ticket kaufen – nach drei falschen Ticketgeschäften gibt es das Ticket zum Fährterminal in Milazzo letztlich im Bus und 50 Minuten später stehe ich am nächsten Ticketschalter, dieses Mal um das Ticket für die Bootsfahrt auf die Insel Volcano zu kaufen. Da ich nun alles organisiert habe, kann ich mich meiner größten Sorge widmen: Ich habe meine Reisetabletten vergessen und Bootsfahrten sind riskant. Zu meinem Glück gibt es eine Apotheke direkt auf der anderen Straßenseite. Es kann weiter gehen und jetzt kann ich auch die Ankunftszeit an mein nächstes BnB senden.
Plan A. Plan B. Plan C. Plan B.
Die Fahrt nach Volcano zieht an mir vorbei, während ich mich literarisch im Senegal befinde. Die Tabletten und das gleichmäßige Rauschen der Fähre sind so entspannend, dass mich lediglich die Frage wachrüttelt, warum sich mein BnB nicht meldet. Beim Blick auf meine Buchung wird es mir klar: Ich habe ein Zimmer in der kommenden Woche gebucht. Autsch. In 20 Jahren Reiserei ist mir das noch nie passiert. Fassungslos und verschlafen suche ich nach der Telefonnummer, als ich fast vergesse von Bord zu gehen, denn die Fahrt geht weiter zur nächsten Insel.
Ans Telefon geht keiner und Booking.com sagt: Ausgebucht. Ausgebucht. Extrem teuer. Weit weg. So wird das nichts – dann Plan B: Los laufen und mir spontan etwas suchen. Wird schon noch ein freies Bett geben. Und es gibt viele freie Betten – in Hotels und BnBs, die alle in der Nebensaison noch geschlossen sind. Der Ort ist wie leer gefegt, die Hotels sind verwaist. Plan C: Muss ich mit der Fähre heut wieder zurückfahren? Kein Vulkan? Kein Schwefelschlammbad? Kein Thermalwasser?
Kaffee hilft
In verlassenen und menschenleeren Straßen mit geschlossenen Restaurants, Kiosks und Tour-Offices werde ich nicht fündig. Ich brauch einen Kaffee, der mich wieder in die richtige Spur bringt.
Das einzige Café, dass geöffnet ist, ist direkt gegenüber vom Fähranleger und an das einzige geöffnete Café grenzt ein Hotel, dass ich im ersten Schock beim Verlassen der Fähre nicht gesehen habe. Und dieses Hotel hat wirklich ein Zimmer für mich, für einen unschlagbaren Preis, sogar mit Frühstück. Die sizilianischen Reisegötter meinen es gut mit mir, denn später wird mir sogar meine Fehlbuchung erstattet. Volcano, Schlammbad und Thermalwasser – es kann losgehen.
Und Sonia – ich bin dir unendlich dankbar. Dafür, dass Du mir die schönsten Ecken in Taormina gezeigt hast, meinen Blick zu den besonderen Kleinigkeiten gelenkt hast, die ich übersehen hätte, verraten hast, wo es die besten Arancini gibt, und dass Deine Begeisterung eine kleine Flamme angefacht hat, die mir sagt: Meinen nächsten Job möchte ich mit genau dieser Leidenschaft machen und Fremde im Handumdrehen als Freunde betrachten.
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