Liebe Unbekannte,
ich habe letztens Deinen Post gelesen, in dem Du beschrieben hast, wie groß Deine Unzufriedenheit im Job ist. Du kannst nur 2 Wochen am Stück Urlaub nehmen, hast nur 24 Tage Urlaub im Jahr und Dein Chef bevorzugt Mitarbeiter, die nicht denken.
Als ich Deinen Post gelesen habe, habe ich kurz überlegt zu antworten, weil ich den Eindruck hatte, dass Du ganz schön unter Druck stehst. Und mal ganz ehrlich – mit so einem Chef, wer würde da nicht unzufrieden sein!
Ich habe es dann aber verworfen, weil Facebook nicht der richtige Platz ist. Leider finde ich Deinen Post nicht mehr, deswegen schreibe ich Dir auf diesem Weg einen offenen Brief.
Man weiß eigentlich, was zu tun ist
Ich war auch mal Du. Meine Chefs wollten zwar, dass ich denke und ich hatte ein paar Urlaubstage mehr, aber ich war unzufrieden. Ich fühlte mich gefangen, war unglücklich und wusste, dass ich aus dem Job raus muss.
Im Prinzip weißt Du auch, dass der Job nicht mehr passt und Du dort schnell weg musst. Aber – da sind die vielen „abers“, die Dich stoppen und dafür sorgen, dass Du jeden Tag wieder im Büro sitzt. Wie kommst Du also aus dieser „Patt-Situation“ raus?
Trial & Error: Es ist ein Prozess und braucht Zeit
Ich habe damals genau analysiert, was mich an meinem Job und an meinem Leben stört und was mir fehlt. Als Konsequenz habe ich nach neuen Jobs recherchiert, habe mir neue Beschäftigungen für die Freizeit gesucht – aber ich blieb unzufrieden.
Rückblickend würde ich sagen, hat es knapp ein ¾ Jahr gedauert, in dem ich gehadert habe, unzufrieden war. Erst dann habe ich meine Entscheidung umgesetzt, obwohl ich die gesamte Zeit wusste, was zu tun ist. Erst dann habe ich gekündigt. Deswegen: Setz Dich nicht unter Druck! Es ist ein zäher Prozess und eine gute Entscheidung braucht Zeit.
Für die einen ist es Unsicherheit, für die anderen Freiheit
Der Hauptgrund, der mich gestoppt hat, war die Frage des „Was kommt danach?“ Erst als ich mir 100% sicher war, dass ich länger verreisen möchte, habe ich mit meinen Chefs gesprochen. Was wiederum nach der Reise kommen würde, würde ich später entscheiden. Ob ich eine „Lücke im Lebenslauf“ haben würde, war mir egal. Rückblickend hat sich auch gezeigt, dass sich nie ein Arbeitgeber an dieser Auszeit gestört hat. Im Gegenteil: Die meisten hätten das gern selber gemacht. Und die, die das nicht verstehen – bei denen willst Du auch nicht arbeiten.
Ich wollte die Freiheit, die für Außenstehende oft wie Unsicherheit und Ungewissheit aussieht. Ich habe mich also bewusst entschieden, mit der Unsicherheit im Gepäck loszufliegen und erst dann eine Entscheidung zu treffen, wenn sich die Reise dem Ende nähert.
Was passiert, wenn Du nichts machst?
Die Frage, die mir damals ein sehr guter Freund gestellt hat und Dir mir letztlich die Augen geöffnet hat, war: Warum machst Du es (=kündigen und verreisen) denn nicht? Ich hatte keine gute Antwort und entsprechend keinen guten Grund es nicht zu tun. Das hat bei mir gedanklich den Schalter umgelegt. Ich würde Dich jetzt fragen: Was stoppt Dich? Und wie kannst Du diese „Stopper“ neutralisieren.
Nicht nur eine Frage des Kopfes
Es ist nicht nur eine Kopfsache. Gerade die Enttäuschung über den unmöglichen Chef und die Trauer, über die doofe Situation und die scheinbar verschenkte Lebenszeit, wollen auch verdaut werden. Und ich sage scheinbar verschenkt – denn ohne diese Erfahrung wärst Du nicht an diesem Punkt, hättest nicht gelernt, was Du nicht willst – auch das ist wichtig. Jetzt gilt es aber aktiv zu werden und aus dem gedanklichen Teufelskreis auszubrechen.
Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt: Eins nach dem Anderen
Das wichtige ist, dass Du festgestellt hast, dass Du unzufrieden bist und weißt, welche Punkte Dich ärgern. Der erste Schritt ist also getan. Jetzt ist Zeit für den zweiten Schritt – die Suche nach Lösungen und Alternativen. Gib Dir Zeit dafür und nimm Dir Zeit dafür.
Also, was machst Du? Es muss nicht gleich die Kündigung sein, kleine Dinge zählen auch – z.B. Deine Bewerbungsunterlagen aktualisieren? Stellenanzeigen recherchieren? Ein Buch zum Thema „Veränderung“ oder „Berufswahl“ lesen?
Nimm Dir Zeit – man verändert sich nicht von heut auf morgen. Es ist ein Prozess. Vergleich Dich nicht mit Anderen – Du bist anders und brauchst Deine eigene Lösung, in Deiner eigenen Zeit. Hauptsache Du wirst aktiv: Frag Dich, was Dich zurückhält und suche Lösungen dafür.
Vielleicht findest Du diesen Blogpost und schreibst mir irgendwann, wie es weiter gegangen ist. Ich drücke Dir die Daumen.
Liebe Grüße
Anica
P.S. Falls Du selbst nicht weiter kommst, dann ist vielleicht auch der Rat eines Experten gefragt, z.B. der eines Coaches. Der kann Dir helfen zu verstehen, was Dich z.B. an der Kündigung hindert und Dich bei der Suche nach neuen Wegen unterstützen.
P.P.S. Für mehr Urlaub könntest Du zum Beispiel auch Bildungsurlaub beantragen – aber ich glaube, dass ist nicht die Lösung des Problems.
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