Havanna Kuba

Ultimo? Hacer Cola. Anstehen Cuban Style

Volkssport Anstehen

Bankbesuch, Reisebüro, Bus, Shoppingmall, Tasche abgeben vor der Shoppingmall, Internetkarten, Wechselstube, Clubs …haces cola, du stehst an. Einen ersten Vorgeschmack gibt es direkt am Flughafen. Wir alle warten geschlagene zwei Stunden auf unser Gepäck. Und die, die vor Ort Geld wechseln wollen, müssen sich gleich wieder einreihen.
Viele sonst beiläufige und alltägliche Dinge beanspruchen in Kuba Zeit, und viel Geduld. Was zu Anfang eine interessante Erfahrung ist, wird im Verlauf zermürbend.

Nach meiner ersten Cola-Erfahrung mit Etecsa, bin ich im Auftrag einer Hausaufgabenmission unterwegs. Wir sollen jemanden zu einem von uns gewählten historischen Ort befragen. Mein erster Gedanke wandert zur Bodeguita del Medio, Hemingway’s Lieblingsbar, aber ich entscheide mich für Coppelia, ein großer Eisladen im Stadtteil von Vedado. Ein historisches Gebäude und die kubanische Erfahrung des Wartens in Kombination – das ist effektiv. (Ich hab ja nie genug Zeit.)

Coppelia

Es ist kein x-beliebiges Eiscafé, dass ich mit zwei Freunden ansteuere. Coppelia ist über die kubanischen Grenzen hinaus bekannt. Coppelia ist Drehort für den beeindruckenden Film „Fresa y Chocolate“, der laut Meinung einiger Personen der beste kubanische Film schlechthin ist.
Coppelia selber ist der Ort, den wahrscheinlich jeder Bewohner Havannas kennt. Und natürlich machen wir Cola, vor dem weißen Gebäude, das an ein gerade gelandetes Ufo erinnert, vor dem die Leute warten, um zu sehen, was sich im Inneren befindet.

Die erste Schlange ist zwischen einer viel befahrenen Straße und dem Rande des tropisch grünen Parks, der eine kleine Insel in einer lauten Stadt ist. Wir haben Glück und nur 20 Personen sind vor uns. Es dürfte nicht lange dauern, denn im Inneren hat Coppelia sicher Platz für zweihundert Personen.

Jeder, der neu hinzukommt, fragt „Ultimo?“, und möchte wissen, wer der oder die letzte ist. Ultimo hört man überall, wo angestanden wird. Fürs Vordrängeln gibt es Ärger, das versucht man nur einmal, habe ich mir sagen lassen.

Zwei Sorten

Auf der Tafel am Rande des Parks sind heute nur zwei Eissorten angeschlagen, die nicht Erdbeer und Schoko sondern Vanille und etwas vanilleähnliches namens Mantecado sind. Keiner in der Schlange vermag zu erklären, was ’Mante-irgendwas’ ist, dafür kommt nach zwanzig Minuten in der Mittagssonne ein Security-Guard und winkt uns mit zehn anderen Personen in den Park, zur nächsten Schlange, direkt unter dem Ufo und vor der Treppe, die in die erste Etage führt. Nur einige Minuten später – währenddessen uns ein Kanadier mit kubanischen Wurzeln anspricht, und anbietet, mit uns diverse Sehenswürdigkeiten und Clubs zu besuchen, ohne Kosten, es werden schnell Nummern ausgetauscht, – werden wir in die obere Etage von Coppelia geleitet. Dort platziert uns ein Mitarbeiter an einem einfachen Tisch in einen der vier oder fünf hellen und luftigen Bereiche. Ein Kellner bringt uns ein Glas Wasser, das wir erst zögerlich probieren, dem leichten Chloraroma nach zu urteilen aber bedenkenlos trinken können. An den Nebentischen sitzen Familien, größere und kleinere, die genüsslich an ihrem Eis löffeln. Dann bestellen wir Eis und Kuchen, das uns in Plastikschüsselchen serviert wird. Der Menge nach zu urteilen werden wir den Kuchen zu dritt nie bewältigen, das Eis aber auf jeden Fall. Die jeweils vier Kugeln und die acht Stückchen Kuchen kosten 80 Cent, zusammen. Für einen Moment herrscht Sprachlosigkeit, wir sehen uns ungläubig an, während wir der Kellnerin das Geld aushändigen. Den Kuchen schenken wir später einem älteren Herren, der im Coppelia-Park Zeitungen verkauft.

Prioritäten

Nachdem wir Coppelia verlassen, fehlen mir für meine Hausaufgaben noch viele Informationen. Das Konzert von Olga Tañon am Malecon, eine berühmte puertorikanische Merengue-Sängerin, die bei ihrem letzten Auftritt eine Million Zuschauer angezogen hat, beginnt in wenigen Minuten und das ist wichtiger als Hausaufgaben. Ich hoffe inständig, dass meine Gastfamilie mit Infos aushelfen kann. Und so ist es auch. Der Schwiegersohn erzählt mir später, dass Coppelia 1962 eröffnete und es früher bis zu 50 verschiedene Sorten Eiscreme gab. Der Name geht auf ein Ballett namens „Coppelia“ zurückgeht, das 1870 in Paris uraufgeführt wurde. Mittlerweile wird das eigentliche Coppelia-Eis exportiert. Das heute servierte Eis habe nicht mehr die ursprüngliche Qualität. Anfangs war es viel cremiger, heute bemerkt man ab und zu Wasserkristalle. Und trotzdem stehen die Leute Schlange, weil das Eis im Vergleich zu anderen Orten erschwinglich.

Ich kann es nicht recht erklären aber auch für mich ist Coppelia nicht nur ein Eiscafé, sondern verströmt ein magisches Flair. Es versetzt mich in die Zeit der DDR. Die simplizistische Einrichtung, das Eis in Plastikbechern, die geringe Auswahl, die vorgegebenen und kontrollierten Abläufe beim Warten – so erinnere ich Besuche in manchen ostdeutschen Restaurants. Im Reiseführer lese ich später, dass hier auch Fluchtversuche nach Miami geplant wurden.

Aber mehr als das bringt Coppelia Menschen zusammen: den kubanisch-kanadischen Touristen und uns für ein paar Minuten, mich und meine Gastfamilie für ein paar Stunden interessanter Gespräche.

 

 

 

 

 

 

About the author

Anica

Hallo und willkommen auf just-not-enough-time. Ich bin Anica und teile hier meine Reiseerfahrungen und –empfehlungen.
Seit über 15 Jahren backpacke ich durch die Welt und es ist kein Ende in Sicht.
Wenn ich nicht reisen kann, dann probiere ich neue Dinge aus und schreibe darüber.

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